- Golfkrieg: Regional- und weltpolitische Aspekte der Golfkriege
- Golfkrieg: Regional- und weltpolitische Aspekte der GolfkriegeNach dem Ersten Weltkrieg übernahm Großbritannien die osmanischen Provinzen Bagdad, Basra und Mosul als Mandatsgebiet. Dieses Produkt westlicher Kolonialpolitik entwickelte bald ein Eigenleben. Die Briten, mit einer Bevölkerung konfrontiert, die die Ablösung einer Fremdherrschaft durch eine andere nicht widerspruchslos hinnahm, machten Zugeständnisse: 1921 richteten sie eine Monarchie ein, 1924 erhielt das Mandatsgebiet unter dem Namen »Irak« eine Verfassung; im Vertrag von Bagdad 1930, der 1932 in Kraft trat, gestanden die Briten Irak die formale Souveränität zu. Allerdings sicherten sie sich im Bereich der Sicherheitspolitik und bei der Nutzung des Erdöls entscheidende Einflussmöglichkeiten.Irak im BagdadpaktAm 24. Februar 1955 schlossen Irak, Mitglied der Arabischen Liga, und das NATO-Mitglied Türkei in Bagdad einen Bündnisvertrag mit fünfjähriger Gültigkeit ab. Noch im selben Jahr traten diesem Bagdadpakt Großbritannien, Pakistan und Iran bei. Der von den USA verfolgte Aufbau eines zusammenhängenden Bündnissystems kam damit zu einem gewissen Abschluss: Die Kette der Staaten, die dem Bagdadpakt, der NATO, der SEATO oder dem ANZUS-Pakt angehörten, wurde nur durch die neutralen Staaten Indien und Birma durchbrochen. Die Bemühungen, weitere arabische Staaten für den Bagdadpakt zu gewinnen, scheiterten indes am Widerstand Ägyptens, das von Syrien und Saudi-Arabien unterstützt wurde. In Irak selbst formierte sich die Geheimorganisation »Freie Offiziere«, die, dem ägyptischen Beispiel verpflichtet, die Monarchie, die noch bestehende Bindung des Landes an Großbritannien sowie seine Mitgliedschaft im Bagdadpakt ablehnte. Am 14. Juli 1958 stürzten Truppen unter Führung von General Abd al-Karim Kassem und Oberst Abd as-Salam Muhammad Aref König Feisal II., der, ebenso wie Ministerpräsident Nuri as-Said, den Tod fand. Die Putschisten riefen die Republik aus und Kassem übernahm die Regierungsgeschäfte. Noch im gleichen Jahr verabschiedete die Regierung ein Gesetz über eine Bodenreform. Am 24. März 1959 trat Irak aus dem Bagdadpakt aus, wenige Wochen später verließen die letzten britischen Truppen das Land. Der Bagdadpakt wurde in Central Treaty Organization (CENTO) umbenannt.Die natürlichen Voraussetzungen erlaubten es den Irakern, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Die jährliche Erdölförderung war von 6,1 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf über 30 Millionen Tonnen Mitte der Fünfzigerjahre gestiegen. Auch wenn knapp die Hälfte des Territoriums Wüste war, stand genügend kultivierte oder kultivierbare Ackerfläche zur Verfügung; die schwer zu bändigenden Wassermengen von Euphrat und Tigris konnten hier genutzt werden. Zu beiden Seiten des Schatt el-Arab, zu dem sich beide Flüsse oberhalb von Basra vereinen, erstreckte sich das größte zusammenhängende Dattelanbaugebiet der Welt. Allerdings gab es auch Probleme: Der landwirtschaftliche Sektor war weithin in Feudalstrukturen erstarrt, die Bevölkerung ethnisch wie religiös heterogen. Zu 77 Prozent setzte sie sich aus Arabern, zu 19 Prozent aus Kurden zusammen; ferner gab es Turkmenen, Perser und Assyrer. Etwa 95 Prozent bekannten sich zum Islam, knapp zwei Drittel davon zur Schia. Die Schiiten lebten hauptsächlich im Süden des Landes. Von den Sunniten waren etwas mehr als die Hälfte Kurden — sie siedelten im Norden —, der Rest waren Araber. Sunnitische Araber bildeten damit nur eine Minderheit der Bevölkerung (ungefähr 15 Prozent), doch rekrutierten sich aus ihren Reihen traditionell die Oberschichten. Den Schiiten war erst 1908 das Recht der freien Religionsausübung zugestanden worden. Des Weiteren waren Grenzen umstritten, so der Grenzverlauf am Schatt el-Arab. Ein 1937 abgeschlossener Vertrag, der auf eine Konvention von 1913 zurückging, sprach das Flussgebiet Irak zu. Kuwait, das bis 1899 zur osmanischen Provinz Basra gehört hatte, war seitdem britisches Protektorat. Musste es nicht, sollten sich die Briten zurückziehen, an Irak fallen?Die neuen Machthaber beanspruchten, Sachwalter des Volkes zu sein. So setzten sie eine Landreform durch, subventionierten Grundnahrungsmittel und führten den Acht-Stunden-Tag ein. Vor allem aber identifizierten sie Eigenstaatlichkeit mit einer Befriedigung eigennütziger Interessen. Das Renteneinkommen, das ihnen das Erdöl gewährte und das rasch wuchs, kam ihnen dabei zugute; sie nutzten es nicht nur zur eigenen Bereicherung, sondern auch zur Machtstabilisierung, indem sie einen Kreis von Ergebenen mittels Pfründen an sich banden. Doch gerade dieser Möglichkeiten wegen war politische Macht umstritten, und rivalisierende Gruppen lösten einander in ihrer Ausübung ab. Anstehenden Problemen suchten die jeweiligen Herrscher von einer Position der Stärke aus beizukommen. Kassem meldete den Anspruch seines Landes auf Kuwait an, nachdem dieses 1961 unabhängig geworden war. Gegen die Kurden begann er, um sie zu arabisieren, einen Krieg, der ebenfalls die politische Stabilität des Landes beeinträchtigte. Die Nationale Front, die sich 1957 formiert hatte, zerbrach, und die Kommunisten, zu einer starken Kraft geworden, waren in der Folgezeit wiederholt Verfolgungen ausgesetzt. Im Juli 1968 übernahm ein Revolutionärer Kommandorat die Macht und wählte Ahmed Hasan al-Bakr zum Präsidenten. Die Baath-Partei, die das neue Regime stellte, leitete umfangreiche Nationalisierungen ein; die Kurden erlangten unter dem Schutz eigener Truppen eine begrenzte Selbstständigkeit. Nachdem Iran die 1937 fixierte Grenze am Schatt el-Arab nicht länger akzeptierte, einigten sich beide Seiten 1975 auf eine Grenze, die etwa in der Flussmitte verlaufen sollte. Im Gegenzug zu diesem irakischen Zugeständnis versprach Iran, die auf irakischem Territorium kämpfenden Kurdenstämme nicht länger zu unterstützen.Es blieb indessen bei Ansätzen einer demokratischen Entwicklung. Mit ihrem nationalistisch motivierten Anspruch, allein für das irakische Volk zu sprechen, war die Baath-Partei im Grunde nicht bereit, ihre Macht mit anderen zu teilen. Die Ölmilliarden, die seit 1973 ins Land flossen, verführten sie dazu, anstehende Probleme diktatorisch anzugehen. 1976 begann sie, Kurden an der Grenze zu Iran und zur Türkei — insgesamt waren über eine Million betroffen — zwangsweise umzusiedeln. Kurden setzten sich bewaffnet zur Wehr. Doch Rivalitäten, vornehmlich zwischen der Kurdischen Demokratischen Partei Irak (KDP-Irak) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), minderten ihre Widerstandskraft.Der 1. Golfkrieg (1980—88)Am 16. Juli 1979 ergriff Saddam Husain die Macht und etablierte, gestützt auf die Baath-Partei, eine Diktatur. Das Streben seines von britischer Kolonialpolitik geschaffenen Landes nach internationaler Gleichberechtigung verband er dabei mit einer ins Maßlose gesteigerten Überhöhung der eigenen Person. Er war nur wenig mehr als ein Jahr an der Macht, da begann er — am 22. September 1980 — einen Krieg gegen Iran. Nach Kündigung des irakisch-iranischen Grenzabkommens von 1975 verkündete er die »Souveränität der arabischen Nation« über den Schatt el-Arab und einige Inseln in der Straße von Hormus. Für die Araber der erdölreichen iranischen Provinz Khusistan forderte er Autonomie. Saddam Husain ging davon aus, dass Iran in der Folge der islamischen Revolution (1978/79) politisches Ansehen und militärische Stärke eingebüßt hatte. Außenpolitisch hatte dieses vor allem seine frühere Stütze, die USA, von ihm nunmehr als der »große Satan« bekämpft, verloren. Saddam Husain glaubte, diese Situation nutzen zu können, um seinem Land die Vormacht am Golf zu sichern. Die Kriegspropaganda der beiden Konfliktparteien behauptete unversöhnliche Gegensätze. Die Iraker operierten mit dem Nationalismus. Waren Araber- und Persertum nicht schon immer Rivalen gewesen? Mit dem Slogan »Qadisiyyat Saddam«, der sich auf den Ort eines arabischen Sieges über die Perser (vermutlich 636) bezog, suchten sie gesamtarabischen Beistand zu gewinnen. Die Iraner setzten auf den Islam. Aus dem ihnen aufgezwungenen Krieg machten sie einen »heiligen Krieg«. Die Schiiten des Irak rief Ayatollah Khomeini zum Sturz des weltlichen, »unheiligen« Baath-Regimes auf.Die Iraker stießen zunächst an einer 600 km langen Frontlinie auf iranischem Territorium bis zu 30 km, stellenweise bis zu 100 km tief ins Land vor. Ihre Offensive blieb jedoch stecken. Iran leitete Anfang 1981 Gegenoffensiven ein. Er schickte, ohne Rücksicht auf Verluste, »Menschenwellen« vor, darunter Jugendliche und Kinder. Die Aussicht auf das Paradies sollte die Kämpfer motivieren, den Märtyrertod zu sterben. Eine Panzerschlacht mit ungefähr 400 Panzern, die größte des Kriegs, entbrannte; der Irak verlor 50, der Iran 140 Panzer. Der Krieg zog sich Jahre hin, ohne dass eine der beiden Seiten eine Wende zu ihren Gunsten erreichte. 1988 verfügten die Kontrahenten jeweils über 1 Million Soldaten. In der Kriegstechnik baute Irak seine anfängliche Überlegenheit weiter aus; 1988 betrug sie bei Panzern 4500 zu 1000, bei gepanzerten Kampffahrzeugen 4000 zu 1360 und bei Artilleriegeschützen 5500 zu ungefähr 600. Zu diesem Zeitpunkt setzte Irak chemische Waffen ein, hauptsächlich Senfgas. Der Nachschub an Rüstungsgütern war gesichert: Über 40 Staaten betätigten sich als Lieferanten, wobei mehr als 10 davon beide Seiten belieferten. Irak erhielt von anderen arabischen Golf-Anrainerstaaten, die befürchteten, das sozialrevolutionäre Potenzial der islamischen Revolution könne auf ihr Land übergreifen, massiv Unterstützung. Saudi-Arabien und Kuwait zahlten zusammen jährlich 15 Milliarden Dollar. Auch Ägypten half; es lieferte Waffen, vor allem aber arbeiteten zeitweilig bis zu zwei Millionen Ägypter in der irakischen Wirtschaft, um durch Rekrutierungen vakant gewordene Plätze auszufüllen. Syrien und Libanon wandten sich jedoch gegen Irak. Der neue Krieg, argumentierten sie, lenke vom Hauptfeind, das heißt von Israel, ab. Der Krieg sprengte den regionalen Rahmen: NATO-Staaten entsandten Kriegsschiffe in den Golf (1988 insgesamt 90). Die USA ließen kuwaitische Tanker unter ihrer Flagge fahren und boten Geleitschutz. Das alles erhöhte die Gefahr einer weltweiten Eskalation des Kriegs. Am 17. Mai 1987 feuerte eine irakische Mirage auf die US-Lenkwaffenfregatte »Stark« zwei Exocet-Raketen ab, 37 Seeleute fanden den Tod. Am 3. Juli 1988 schoss der US-Kreuzer »Vincennes« über der Straße von Hormus ein iranisches Verkehrsflugzeug ab; dabei starben 298 Passagiere und Besatzungsmitglieder.Bereits am 20. Juli 1987 forderte der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 598 die Krieg führenden Parteien zum Waffenstillstand auf. Wenige Tage später stimmte ihr Irak zu. Iran zögerte und forderte, Saddam Husain solle zurücktreten. Militärische Niederlagen — unter anderem die Rückeroberung der strategisch wichtigen Halbinsel Fao an der Mündung des Schatt el-Arab durch die Iraker, die Besetzung von 2600 km2 iranischen Territoriums durch irakische Truppen — sowie weit gehende außenpolitische Isolierung und zunehmende Kriegsmüdigkeit im Innern bewogen die iranische Führung, am 18. Juli 1988 grundsätzlich einem Waffenstillstand zuzustimmen. Eine 350-köpfige Beobachtergruppe der UNO bezog entlang der fast 1200 km langen Frontlinie Stellung. Irak hatte in diesem Krieg 200000 Tote zu beklagen, die direkten und indirekten Kriegskosten beliefen sich für ihn auf 450 Milliarden Dollar; auf iranischer Seite waren es 300000 Tote und 650 Milliarden Dollar. Innerirakische Konflikte verschärften sich: Saddam Husain unterdrückte die Schiiten noch rigoroser, da er befürchtete, sie könnten sich auf die Seite Teherans schlagen. Auch gegen die Kurden ging er gewaltsam vor. Gegen das Dorf Halabdja setzte seine Luftwaffe Chemiewaffen ein, wodurch 5000 bis 7000 Zivilisten starben. Viele Kurden flohen in die Türkei, der kurdische Widerstand geriet in die Defensive. Im 1. Golfkrieg zeigte sich eine neue Dimension zwischenstaatlicher Auseinandersetzung: Zwei Entwicklungsländer kämpften auf eigene Rechnung gegeneinander. Nachdem zu der ursprünglichen arabisch-israelischen Konfrontation bereits die Krise in und um Libanon getreten war, kam nun ein Konfliktherd am Golf hinzu.Die heiße Phase des 2. GolfkriegsAn seinem regionalen Vormachtstreben hielt Saddam Husain fest. Zudem brauchte er, dies war eine Folge des Kriegs gegen Iran, Geld. Am 2. August 1990 überfiel Irak Kuwait. Innerhalb von sieben Stunden war das Land erobert. Der irakische Präsident setzte den nach Saudi-Arabien geflohenen Emir Jabir al-Ahmad as-Sabbah ab, bildete eine Regierung »freier kuwaitischer Bürger« und erklärte am 28. August Kuwait zur 19. Provinz seines Landes. Die in Kuwait lebenden 11000 Ausländer nahmen die Iraker als Geiseln und verschleppten etliche von ihnen als »lebende Schutzschilde« an strategisch wichtige Orte. Die Arabische Liga fand zu keiner einheitlichen Haltung gegenüber Saddam Husain, der sich zudem direkt an die arabischen Völker wandte und ihnen versprach, die Reichtümer der Region künftig gerechter zu verteilen. Diese Ankündigung stieß bei vielen Arabern auf Beifall.Der Überfall auf Kuwait blieb kein regionaler Konflikt. Saddam Husain sah sich vielmehr nach dem für ihn überraschenden Ende des Ost-West-Konflikts mit einer völlig neuen weltpolitischen Konstellation konfrontiert. Die Sowjetunion, auf deren Hilfe der Diktator möglicherweise gebaut hatte, gab es zwar noch bis Ende 1991, doch war sie in Auflösung begriffen. Aber hatten ihm nicht auch die USA Sympathie entgegengebracht, als es gegen das islamische Regime in Teheran gegangen war? Noch am 25. Juli 1990, also eine Woche vor dem Überfall, hatte die US-Botschafterin in Bagdad, April C. Glaspie, dem irakischen Präsidenten versichert, ihre Regierung habe »keine Meinung zu den innerarabischen Konflikten«, wobei sie den Streit um Kuwait ausdrücklich erwähnte. Den USA war aber nicht nur an einem grundsätzlich gesicherten Zugang zum Öl gelegen — unmittelbar war er zu keinem Zeitpunkt bedroht —, sie sahen angesichts des Dahinschwindens der Sowjetunion vielmehr die Chance, eine globale Vormachtstellung zu erringen; ein energisches Vorgehen gegen Irak hatte somit paradigmatische Bedeutung. Am 6. August verhängte der UN-Sicherheitsrat ein vollständiges Handelsembargo gegen Irak. Doch ohne dessen Wirkungen abzuwarten und Verhandlungen ausweichend, bereiteten die USA einen militärischen Schlag vor: Bis Ende Oktober hatten sie 230000 Soldaten im Nahen Osten konzentriert. Zugleich versicherten sie sich internationalen Beistandes. Der Anti-Irak-Allianz, die sie schufen, gehörten schließlich etwa 30 Staaten an, darunter auch arabische. Der UN-Sicherheitsrat drohte Irak am 29. November militärische Vergeltungsmaßnahmen an, falls er sich nicht bis zum 15. Januar 1991 aus Kuwait zurückziehe; nur einmal, 1950 gegenüber Nordkorea, war er ähnlich weit gegangen. Die Frist verstrich. Etwa 550000 irakische und 680000 alliierte Soldaten standen einander gegenüber. In westlichen Ländern forderten Demonstranten »Kein Blut für Öl«.Unter dem Operationsnamen »Wüstensturm« griffen die Alliierten unter dem Oberbefehl des US-amerikanischen Generals Norman Schwarzkopf in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1991 Irak an. Zunächst fügten alliierte Flugzeuge dem Kriegsgegner schwere Schäden im militärischen und zivilen Bereich zu. Irak startete Gegenaktionen; unter anderem beschoss er Saudi-Arabien und Israel mit Scudraketen. Seine Führung hoffte, die Israelis in den Krieg hineinziehen zu können, um dadurch gesamtarabischen Beistand zu erzwingen. Doch die irakischen Raketen wurden entweder abgeschossen oder richteten nur geringfügigen Schaden an. Auf Drängen der USA hielt sich Israel zurück. Am 24. Februar starteten die Alliierten ihre Bodenoffensive. Hunderte von Kampfpanzern drangen nach Kuwait vor, während gleichzeitig Soldaten vom Westen her zum Euphrat vorrückten und irakische Verbände, darunter die Eliteeinheiten der Republikanischen Garde, einkesselten. Die Alliierten stießen kaum auf Gegenwehr. Irak akzeptierte nach nur 100 Stunden Kampf bedingungslos die die Kuwaitkrise betreffenden UN-Resolutionen. Am 11. April trat formell ein Waffenstillstand in Kraft, ohne dass indessen der UN-Sicherheitsrat das Handelsembargo aufhob. Der Irak verpflichtete sich, keine Massenvernichtungswaffen herzustellen oder zu lagern, und er gestattete Inspektoren der UNSCOM entsprechende Kontrollen. Zunächst sah es bei Kriegsende nach einer Umweltkatastrophe globalen Ausmaßes aus. Abziehende irakische Truppen hatten über 700 Ölquellen in Brand gesetzt. Vollständig verausgabt hatte sich keine der Kriegsparteien. Husain hatte die Republikanische Garde, die 80000 Mann umfasste und über moderne T-72-Panzer verfügte, in rückwärtige Stellungen dirigiert. Die Alliierten hätten weiter vorstoßen können, möglicherweise bis Bagdad, doch sie verzichteten darauf.Die Kriegstechnik wies erhebliche Neuheiten auf; von einem Hightechkrieg war die Rede. Die Alliierten setzten »intelligente Bomben« ein, die ihre Ziele mit Laser oder Infrarotkameras zentimetergenau anpeilten, computergesteuerte Marschflugkörper vom Typ »Tomahawk«, die in der Lage waren, ihre Sprengköpfe, mit dreifacher Schallgewindigkeit fliegend, über 9500 km zu transportieren, Patriotraketen und Tarnkappenbomber F-117, die aufgrund einer Spezialbeschichtung kaum auszumachen sind. Die moderne Kriegstechnik, suggerierten Medien in den USA, die großen Opfer unter der irakischen Zivilbevölkerung ignorierend, erlaube einen »sauberen Krieg«, der — einem punktuellen chirurgischen Eingriff vergleichbar — Zivilisten weitgehend verschone. Deutschland und Japan unterstützten die USA mit einer Beteiligung an den Kriegskosten in Höhe von 60 Milliarden Dollar. Irak hatte und hat immens unter den Folgen des Krieges zu leiden. Er hatte etwa 110000 gefallene Soldaten zu beklagen, die Alliierten 300. Eine ruinöse Inflation — die Nahrungsmittelpreise stiegen bis um 5000 Prozent an — und die Boykottmaßnahmen verurteilten seine Bevölkerung zum Hunger; sie musste mit einem Drittel des international anerkannten Ernährungsminimums auskommen. Die Kindersterblichkeit verfünffachte sich. Am 3. März 1991 erhoben sich in Südirak die Schiiten. Im Norden folgten die Kurden ihrem Beispiel; sie brachten den größten Teil des von ihnen bewohnten irakischen Territoriums unter ihre Kontrolle. Drohte Irak eine Zerstückelung nach ethnischen oder religiösen Kriterien? Saddam Husain gelang es, die Aufständischen mit brutalem Gewalteinsatz niederzuhalten. Die Alliierten proklamierten im Norden bis zum 36. Breitengrad eine Schutzzone für die Kurden. Für den Süden setzten sie im UN-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone durch. Saddam Husain blieb Präsident. Die USA, die ihn hatten stürzen wollen, stießen auf Grenzen ihrer Möglichkeiten und enttäuschten die aufständischen Schiiten und Kurden, die Hilfe von ihnen erwartet hatten. Etwa fünf Millionen Menschen begaben sich im Zusammenhang mit dem 2. Golfkrieg auf die Flucht. Zu den Kuwaitis und den irakischen Kurden und Schiiten kamen 250000 Palästinenser (sie gingen mehrheitlich nach Jordanien), 700000 Ägypter (200000 aus Kuwait und 500000 aus Irak) und 100000 Inder.Prof. Dr. Martin RobbeWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Fundamentalismus: Islamischer FundamentalismusGrundlegende Informationen finden Sie unter:Erdöl: Das »Ölzeitalter« im Nahen und Mittleren OstenHeikal, Mohamed: Illusions of triumph. An Arab view of the Gulf War. Neuausgabe London 1993.Ibrahim, Ferhad: Konfessionalismus und Politik in der arabischen Welt. Die Schiiten im Irak. Münster 1997.The Iraqi revolution of 1958. The old social classes revisited, herausgegeben von Robert A. Fernea und William Roger Louis. London u. a. 1991.Krech, Hans: Die militärische Kräftebalance am Persischen Golf 1998. Ein Handbuch. Mit einem Modell für eine ausgeglichene militärische Kräftebalance auf reduziertem Rüstungsniveau für eine Friedenskonferenz für die Region Persischer Golf. Berlin 1998.
Universal-Lexikon. 2012.